Das Bremer Fanprojekt vor dem Ende?!
Vorweg sei gesagt, dass wir die Arbeit von Fanprojekten an sich, sofern sie ihrem Auftrag gerecht werden, positiv gegenüberstehen und als unabdinglich ansehen. Von daher mag diese Überschrift missverständlich zu verstehen sein, sie trifft jedoch den Kern der Aussage.
Das altehrwürdige Bremer Fanprojekt bewegt sich seit vielen Jahren in den Untiefen des Scheins. Sämtliche Energie, konzentriert sich ausschließlich auf öffentlichkeitswirksame Außendarstellung im Bereich Antidiskriminierung und im Zuge der Vernetzung mit anderen Institutionen im Bereich Jugendarbeit. Sozialpädagogische Ansätze im Umgang mit der Fanszene oder gar Bewegungen in diese Richtung, sind hingegen seit empfindlich langer Zeit nicht zu verzeichnen. Im Zuge der jüngst veröffentlichten Zeilen dieses sogenannten sozialpädagogischen Fanprojekts ist es nun einfach an der Zeit, nach Jahren interner Kritik mit einem Statement an die Öffentlichkeit zu gehen. Dies möchten wir tun, indem wir uns diese Zeilen vom Fanprojekt in Bezug auf dessen sozialpädagogischen Arbeitsauftrag einmal etwas genauer anschauen.
Zuerst einmal sollte dieser Arbeitsauftrag für die MitarbeiterInnen des Fanprojekts objektiv wahrgenommen werden – also fernab von persönlichen Empfindungen, was beispielsweise das Thema Pyrotechnik angeht. Nicht nur dieser Auftrag, sondern auch die Vergütung für diese Institution zwingt sie dazu, ihre persönlichen Weltanschauungen weder zu äußern, noch sie in ihre sozialpädagogische Arbeit einfließen zu lassen. Zu dieser Arbeit gehört nämlich beispielsweise, die „institutionelle Unabhängigkeit vor allem von Verein, Sicherheitsorganen, Fanszene“, die „Wahrnehmung der Schnittstellenfunktion zwischen jugendlichen Fankulturen, Vereinen, Verbänden, Medien, Polizei und Jugendarbeit“ sowie die „Fähigkeit zur Moderation von Diskussionsprozessen aller Beteiligter“, wie wir dem Konzept Qualitätssiegel für Fanprojekte (http://www.kos-fanprojekte.de/fileadmin/user_upload/media/regeln-richtlinien/pdf/KOS-konzept-QS-2011-rz.pdf) entnehmen können. Für uns ist damit klar: Objektivität und sozialpädagogische Ansätze sollten die bestimmenden Säulen eines gut funktionierenden Fanprojekts sein – und das aus gutem Grund.
In besagter Stellungnahme wird nun zu den Vorkommnissen beim Nordderby Stellung bezogen.
Dort heißt es unter anderem: „Wir die Mitarbeiter*innen des Fanprojekts Bremen, waren überrascht, als nach der Halbzeit Bengalos gezündet wurden, denn schon seit Jahren wurde in der Ostkurve nicht mehr gefackelt. Das ungeschriebene Gesetz, im eigenen Stadion keine Pyrotechnik einzusetzen, wurde damit gebrochen.“
Kenner der Fanszene, wozu man das Fanprojekt mit gefühlt einem Dutzend MitarbeiterInnen bei entsprechender Arbeitseinstellung ohne Probleme zählen muss, dürften keineswegs überrascht gewesen sein. Die Einstellung aktiver Fans zu dem Stilmittel Pyrotechnik ist dem Fanprojekt hinlänglich bekannt – besonders in Verbindung mit einem 100. Derby, welches durch die aktuelle Tabellensituation beider Mannschaften an Brisanz kaum zu überbieten war und somit einen besonders hohen Blutdruck bei allen Beteiligten auslöste. Eine Überraschung dürfte somit gen null gegangen sein, gerade auch aufgrund dessen, dass es eine unglaublich lange Zeit vorher im Weserstadion zu keinerlei solcher Vorkommnisse kam.
Unseres Wissens nach, gab es nie eine Absprache seitens der Fans mit den offiziellen Vertretern des Vereins und auch mit keiner anderen Institution diesbezüglich. Somit stellen wir die Frage: wie konnte ein „ungeschriebenes Gesetz“ gebrochen werden? Zumal dann, wenn nicht klar ist, wer dieses „ungeschriebene Gesetz“ überhaupt definiert hat? Dieses Argument des Fanprojektes ist somit schlichtweg an den Haaren herbeigezogen!
Im Folgenden heißt es: „Die Folge dieser Aktion war, dass das Spiel unterbrochen werden musste und die Mannschaft von Werder aus dem Spielfluss geriet, große Teile des Stadionpublikums eingenebelt und in Mitleidenschaft gezogen wurden. Durch das jahrelang vorbildliche Verhalten der Werderfans konnte eine besondere Regelung beim DFB erwirkt werden die Zäune abzubauen. Die Sondergenehmigung durch den DFB, keinen Zaun in der Ostkurve aufstellen zu müssen, ist nun infrage gestellt.“
Worte, welche einerseits nicht gänzlich falsch, jedoch völlig polemisch und eben andererseits auch nicht wirklich wahr daher kommen. Dass weite Teile des Stadionpublikums in Mitleidenschaft gezogen worden sind, entspricht schlichtweg nicht der Wahrheit. Unter „in Mitleidenschaft gezogen“ versteht der Volksmund üblicherweise gesundheitliche Einschränkungen, die damit einhergehend eingetroffen sind. Dies war bekanntlich so nicht der Fall.
Die Regelung mit den Zäunen mag so bestehen, lässt sich, zumindest seitens der aktiven Szene, jedoch nicht nachvollziehen. Das dürfte daran liegen, dass weder jemand in entsprechende Einigungsprozesse mit eingebunden wurde, noch im Nachgang daran teilhaben konnte. Inwieweit höhere Zäune den Einsatz von Pyrotechnik verhindern sollen, scheint bis heute ein gut gehütetes Geheimnis zu sein.
Dem Fanprojekt muss in der Einschätzung der Realität wohl durchgerutscht sein, dass Becher- und/oder Feuerzeugwürfe, welche in der Vergangenheit durchaus vorgefallen sind, nicht zu einem „jahrelang vorbildlichen Verhalten der Werderfans“ zählen. Dass dieses Verhalten heutzutage nicht mehr üblich ist, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass diese Art der Emotionen beim Anhang der aktiven Szene keinerlei Anklang erfahren hat.
Der unterbrochene Spielfluss unserer Jungs auf dem Platz war in der Tat, wie wir uns glaubhaft aus erster Hand erläutern lassen durften, zwar gegeben, jedoch anders, als es in sehr undifferenzierter, gefühlter Copy and Paste Manier von Boulevardautoren oder anderen Hetzern dargestellt wurde. Denn bei vielen Spielen, wie es auch zuletzt in Nürnberg zu verzeichnen war, haben unsere Jungs nach dem direkten Wiederanpfiff Probleme ihren Spielfluss aus der ersten Halbzeit wieder zu gewinnen. Dass eine zusätzliche Unterbrechung diese Unsicherheiten nicht gerade aus dem Weg räumt, wurde uns bestätigt.
Lässt sich über einige Aspekte aus den vorhergehenden Zeilen und unserer Interpretationen dieser sicherlich diskutieren, zeigt sich im letzten Absatz der Veröffentlichung jedoch das altbekannte Gesicht des Bremer Fanprojektes. Dort liest es sich wie folgt: „Das Fan-Projekt Bremen lehnt den Einsatz von Pyrotechnik ab und verurteilt diese Aktion. Wir erwarten, dass solche Aktionen von der Fanszene kritisch hinterfragt werden und die Fanszene sich der möglichen Konsequenzen, wie die Zurücknahme von Privilegien und Kollektivverurteilungen, bewusst ist.“
Man mag sich ja gegen den Einsatz von Pyrotechnik aussprechen – die Sicht eines Fanprojektes sollte allerdings auch in diesem Punkt ihre Objektivität wahren.
Der Einsatz von Pyrotechnik, ob nun gemocht oder gehasst, ist fester Bestandteil der Fankultur in Deutschland. Dieser Umstand sollte gerade dem immer wieder gepriesenen „ersten Fanprojekt in Deutschland“ bzw. seinen Mitarbeitern, die zum Teil schon seit über 25 Jahren im Fanprojekt arbeiten, bekannt sein. Daher ist es aus unserer Sicht völlig unverständlich, sich als unabhängige Institution zu so einem Statement hinreißen zu lassen.
Das Fanprojekt sollte diese Aktion vielmehr hinterfragen, das Thema mit den meist jugendlichen Fans beleuchten und dann gegebenenfalls in objektiver, nicht parteiischer Weise, vermittelnd handeln. Das wäre nicht nur unsere Vorstellung eines konstruktiv, sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekts in diesem Zusammenhang. Der letzte Absatz macht aber leider deutlich, dass dieses Vorgehen eben nicht die Idee des Bremer Fanprojekts zu sein scheint. Die Erfahrungen der letzten Jahre verdeutlichen unsere Vermutungen dahingehend. Mit seinem klaren Bekenntnis hat das Fanprojekt diesen Ansatz schon zum Scheitern verurteilt, bevor es seine Arbeit dahingehend begonnen hat.
Wie sich dieses Fanprojekt dann noch dazu aufschwingen mag, etwas öffentlich von der Fanszene zu erwarten, ohne überhaupt intern mit eben dieser etwas aufgearbeitet zu haben, noch Anstalten macht, dieses zu wollen, ist uns schleierhaft und scheint lediglich der öffentlichen Wirksamkeit zu dienen, nicht aber der Verbesserung der Arbeit und der Ausführung des sozialpädagogischen Auftrags. Von daher können wir nicht nachvollziehen und auch nicht akzeptieren, dass ein hoch finanziertes Fanprojekt mit einem solchen Arbeitsauftrag Kollektivverurteilungen als Mittel zum Zweck darstellt und indirekt für gut heißt.
Auch wenn es vielfach einen anderen Anschein machen mag: Wir, vom Fanbündnis Bremen, sind nicht an der Diskussion zum Thema Pyrotechnik interessiert, weil dieses Thema medial seit vielen Jahren durch meist völlig undifferenzierte und teils hetzerische Inhalte das Gros des Fußballpublikums dazu verleitet, sich diesem Thema gegenüber ebenso zu äußern. Auf diese Art und Weise kann dies weder Faninteressen stützen, noch fankulturelle Aspekte stärken und schon gar nicht die Bedürfnisse der Fans gegenüber den Vereinsoberen deutlich machen.
Uns geht es hier ganz klar darum deutlich zu machen, dass wir die momentane Arbeit des Bremer Fanprojektes nicht mehr als sinnvoll und haltbar ansehen, da es sich in seinem Handeln (ausdrücklich nicht nur bezogen auf das Thema Pyroeinsatz) in erschreckender und unserer Meinung nach nicht weiter zu tolerierender Art der aktiven Fanszene und insbesondere unserem fankulturellen Erbe entgegenstellt und eben nicht vermittelnd wirkt.
Dem Konzept Qualitätssiegel für Fanprojekte (s.o.) in Deutschland ist zu entnehmen, dass „Fanprojekte (…) ihre Wirkungen nur dann voll entfalten [können], wenn: sie in den Strukturen und Handlungsfeldern der Jugendhilfe verankert sind, ihr spezifischer Arbeitseinsatz von allen Beteiligten akzeptiert wird (…), die Zusammenarbeit aller Beteiligten gewährleistet ist (…)“. Das Fanprojekt begleitet zwar viele lobenswerte Projekte, vergisst dabei aber das Kerngeschäft, auf den der Name „FANprojekt“ schließen lässt und übersieht dabei die schwerwiegenden Probleme, die sich heutzutage für Fußballfans im Rahmen des Konstrukts Fußball zeigen. Wir können mit überzeugender Sicherheit sagen, dass zumindest die zwei zuletzt zitierten Forderungen vom Fanprojekt Bremen in Bezug auf fankulturelle Arbeit nicht erfüllt werden. Dies deutet darauf hin, dass die Wirkung des Fanprojekts in Bremen nicht gegeben ist.
Wir, als Fanbündnis, fühlen uns genötigt, diesen Schritt zu gehen und machen diese Dinge öffentlich, da die Erfahrung vieler Fans zeigte, dass direkte und persönlich übermittelte Kritik nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hat. Wir erhoffen uns für die Zukunft ein Fanprojekt in Bremen, das seiner eigentlichen Aufgabe, sozialpädagogisch, objektiv und vermittelnd zu arbeiten, nachkommt und ein Stück weit auch vertrauensbildende Maßnahmen herbeiführt.
Allerdings ist all dies unserer Ansicht nach sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft in der momentan bestehenden Struktur des Fanprojekts Bremen nicht möglich. Wer allerdings die Mechanismen, welche sich um die Berufsgruppe „Sozialpädagogen“ schließen, kennt, der mag ebenso wie wir daran zweifeln, dass sich jemals etwas an der bestehenden Form für uns Fans, insbesondere für die Aktiven, ändern mag.
Dennoch werden wir in Zukunft verstärkt die Arbeit des Fanprojekts beleuchten, hinterfragen und wenn nötig auch öffentlich diskutieren. Denn wir sind ein Bündnis für Fans mit fankulturellem Hintergrund. Und das ist unsere selbst auferlegte Aufgabe!
Lasst nicht zu, dass eine Aktion von wenigen Minuten, ob sie nun gut geheißen wird oder nicht, über eure Gedanken und euer Urteilsvermögen herrscht, unsere gemeinsamen Interessen vergessen lässt und unsere gemeinsame Arbeit gefährdet. Nicht zuletzt das ist es, was mit diesem ganzen Spuk versucht wird!
Euer Fanbündnis Bremen