Gedanken eines Werderfans

Sonntag, 23. Februar 2014

Es hat uns eine Mail von einem Werderfan erreicht, in dessen Worten wir uns ganz gut wiedergefunden haben und die zur aktuellen Lage Werders, sowie zur aktuellen Gefühlslage vieler Fans passen könnten. Daher sind wir gerne bereit, diese Zeilen zu veröffentlichen:

Es wird viel geschrieben über unseren Verein. Ich möchte auch gar nicht bestreiten, dass es schon seit längerem suboptimal läuft, allerdings störe ich mich schon seit geraumer Zeit an einem Gros der „Fans“. Erst gestern [gemeint ist das Heimspiel gegen Borussia Dortmund] musste ich wieder auf der Nordgeraden einiges an unqualifizierten Kommentaren ertragen. Damit meine ich nicht den fehlenden Sachverstand, sondern rassistische Bemerkungen, oder wie bitte kann ein Herr in den besten Jahren Sätze wie „kann der Neger nicht endlich mal ein paar Bälle dahinten raus holen?!“ von sich geben? Dass die Karten dort 640 Euro kosten, sei nur am Rande erwähnt. Ähnliches habe ich vor 3 Jahren auf der Südtribüne erlebt. Spiele wurden und werden am laufenden Band beleidigt, wenn auch nicht immer rassistisch, aber definitiv unter der „Gürtellinie“. Ich frage mich, ob es die selben Herren (bislang habe ich es in diesem Ausmaß nur von dem Geschlecht erlebt) sind, die vor vielen Jahren noch in der Lage waren, ihrer Mannschaft volle Rückendeckung zu geben, als, oder gerade weil, zu diesen Zeiten nur ca. 8.000 im Stadion waren. Hat das Leben sie so verhärtet? Oder waren sie damals noch nicht so erfolgsverwöhnt? Was es auch ist, es ist mir egal! Ich habe keine Lust mehr, mir alle zwei Wochen die schlechte Laune der Leute anzuhören, denen es anscheinend gut in den Kram passt, ihren Frust über ihre langweilige Ehe und ihren miesen Job raus lassen zu können. Entschuldigt bitte die Polemik an dieser Stelle, aber es erscheint tatsächlich sehr oft so.

Was mich sehr traurig macht, ist die mangelnde Unterstützung der Masse. Es ist leicht, zu feiern wenn alles läuft und natürlich war die Champions League Zeit oder das Double großartig, aber wo bitte bleibt da die Verbundenheit zum Verein? Ich kann natürlich nur für mich sprechen und sagen, dass ich den Verein und die Stadt liebe und es für mich deshalb nicht nachvollziehbar ist, dass man so oft das Negative verstärkt. Was wollen wir erreichen? Ich denke zur Zeit den Klassenerhalt. Wenn ich weiß, dass wir aktuell nun mal diese Mannschaft haben und die Qualität ggf. begrenzt ist und das Selbstbewusstsein bei dem ein oder anderen aktuell nicht so ausgeprägt ist, was wird dann wohl besser funktionieren?

Es hat sich so eine gesellschaftliche Grundstimmung eingeschlichen, die es duldet, „immer gegen etwas zu sein“. Oft natürlich unter dem Deckmantel der Anonymität in diversen Foren und nervigen Shitstorms! Wie kann ich mich darüber mokieren (oder gar aus dem Verein austreten), dass Werder Wiesenhof als Sponsor hat, wenn ich weiterhin meine abgepackte Wurst bei Lidl und Co kaufe? Ist es nicht an der Zeit, das Positive zu verstärken? In dem Fall entweder Vegetarier zu werden oder das Fleisch von Anbauverbänden wie z.B. Demeter zu kaufen? Mal ganz abgesehen davon, dass meines Wissens die Allianz bis vor kurzem noch fleißig an Lebensmittelspekulationen beteiligt war und Bayer sich sehr lange geziert hat, die „Bluter“ zu entschädigen… Es ist natürlich leichter zu meckern und sich nicht zu engagieren. Frei nach dem Motto: „Wer nichts macht, macht nichts falsch“. Klatschen für die Mannschaft? Fehlanzeige! Ein guter Pass: muss man nicht kommentieren! Aber zieht der Schiedsrichter eine Karte oder trifft eine vermeintliche Fehlentscheidung: da mutiert selbst der stillste Sitznachbar zum Tier. Beschimpfen geht immer. Welch positive Energie!

Warum werden die Ultras von der (Boulevard?) Presse zerrissen, auch wenn sie weder rechts, noch links, noch gewaltbereit sind, sondern bedingungslos für ihren Verein stehen, sich engagieren, Stimmung machen und uns mit tollen Choreos überraschen? Oft selbstkritisch, reflektierend und weltoffen, was man bestimmt nicht von jedem Fan auf den teureren Plätzen sagen kann. Rühmen wir uns nicht alle ein wenig, wenn man Stolz von der Stimmung und Atmosphäre in vielen Bundesligastadien spricht?

In Bremen bedarf es wahrscheinlich erst wieder einer Aktion, damit jeder versteht, dass wir im Abstiegskampf sind und wenn man keine Lust auf zweite Liga hat, doch lieber mal ein wenig die Klatschpappe benutzt. An anderen Tagen sind Hände und Mund wohl eher auf dem Park and Ride Platz geblieben oder nur für verbalen Müll dabei. Ich war immer so stolz darauf, Werder Fan zu sein, eben anders als die in Hamburg, die nach drei Unentschieden schon ihre Mannschaft auspfeifen. Hab den harte Kern bewundert, der auch mal den Werderbus angehalten hat, um friedlich mit der Mannschaft zu diskutieren, den Dialog zu suchen, um die Enttäuschung dazulegen. Aktuell bin ich mehr genervt von dem, was auf den Rängen passiert, als von dem, was auf dem Platz passiert oder eben nicht passiert.

Ich hoffe sehr auf den Verbleib in der ersten Liga und bin dankbar für die Erfolge und vielen schönen Momente die Werder mir schon beschert hat. Und natürlich für ein Stadion in der Stadt mit Kneipenanbindung und Leben:-)

Lebenslang Grün-Weiß
Vanessa